Religiositaet

Die Menschen in Ruanda scheinen beeindruckend religioes zu sein. Dieses Ergebnis laesst sich nach unseren bisherigen Erfahrungen unabhaengig von sozialer Schicht, Beruf und Alter festhalten. Es gibt unglaublich viele verschiedene Kirchen und Glaubensgemeinschaften hier. Zu den groessten zaehlen neben der Katholischen Kirche, der ca. 50% der Bevoelkerung angehoeren, die Presbyterianische Kirche und zahlreiche Pfingstgemeinden. Zudem gibt es viele Baptisten, Methodisten und Anglikaner. Auch die Zeugen Jehovas unterhalten einige fuer hiesige Verhaeltnisse beachtlich grosse Gebaeude. Explizit lutherische Kirchen haben wir noch nicht gefunden, sie soll es hier jedoch auch geben. Neben den im weitesten Sinne christlichen Kirchen praegen auch einige Muslime die religioese Landschaft. Ab und zu trifft man in der Stadt verschleierte Frauen an und auch einige Moscheen sind in Kigali zu finden.
Mehr jedoch, als Zahlen und Gebaede erstaunte uns das religioese Innenleben und die Spiritualitaet der Ruander.
Nahezu alle Menschen mit denen wir in durchaus unterschiedlichen Kontexten (also nicht nur im kirchlichen Bereich, sondern beispielsweise auch im oeffentlichen Verkehr, in Bars oder auf dem Markt) zu tun hatten, fuehlten sich irgendeiner dieser genannten religioesen Gemeinschaften zugehoerig und versicherten uns auch den dortigen Gottesdienst regelmaessig zu besuchen. Die einzige Ausnahme war der Inhaber des Deutschen Supermarktes in Kigali (ein Deutscher), der gegenueber uns keinen Hehl daraus machte, vor seiner Auswanderung nach Ruanda vor gut 20 Jahren aus der Evang. Kirche ausgetreten zu sein und seitdem von Kirche nichts mehr wissen wolle.
Der geschilderte Eindruck bestaetigte sich uns in den sonntaeglichen Gottesdienstbesuchen bei denen wir bewusst versuchen die Gemeinden zu wechseln, um einen Ueberblick ueber die Froemmigkeitsstruktur des Landes zu bekommen. Ergebnis: Volle Huette. Besucherzahlen, die bei uns nur an Heiligabend erreicht werden, sind hier an der Tagesordnung. Auch die Zusammensetzung der Gemeinde unterscheidet sich. Hier sind nahezu alle Altersgruppen gleich stark vertreten. Viele Kinder, viele Jugendliche und sehr viele junge Erwachsene sitzen in den Baenken. Ein weiters Merkmal ist die Dauer des Gottesdienstes: Markieren 1,5 Stunden in unseren Breiten bereits die Grenze des Zumutbaren, so liegt hier der Durchschnitt bei 3 Stunden. Wohl gemerkt der Durchschnitt. Vor einer Woche geriet ich in einen Gottesdienst von Adventisten der fast 4 Stunden dauerte (eine Erfahrung, die ich definitiv nicht wiederholen moechte).
Bewegt man sich, waehrrend eines Sonntags in der Stadt so hoert man von morgens bis abends aus verschiedensten Ecken lautes Singen und Halleluja-Rufe, da fuer jeden Gottesdienst eine beachtliche Beschallungsanlage zur Verfuegung steht, um die oft mehrstuendige freie Predigt und das Backround-Keyboard in angemessener Lautstaerke zu uebertragen. Da Kigali auf mehreren Huegeln verteilt liegt, ist sonntags bei guenstigen Windverhaeltnissen ein Dauer-Dolby-Sourround zu vernehmen. Auch geistliche Musik steht in Ruanda Hoch im Kurs. Gerne wird im Supermarkt, in Musiklaeden, sowie in Taxis und Bussen auf geistliches Liedgut rekurriert, welches auch gerne von den dort Anwesenden froehlich mitgetraellert wird. In Deutschland muesste wohl erst der Messias persoenlich vorne einsteigen, damit sich die Mitfahrer eines Linienbusses dazu berufen fuehlten ein spontanes „Grosser Gott wir loben Dich“ anzustimmen. Die Religiositaet wird auch im Stadtbild sichtbar. Unzaehlige „Halleluja-Kiosks“ und „God is Good-Shops“ saeumen die Strassen, deren Warenangebot jedoch so dirket nichts mit Religion zu tun hat. Auch Taxis und Motorradtaxis sind oft mit bunten Schriftzuegen bemalt, auf denen „Jesus lives“ zu lesen ist und riesige Trucks haben mit „God is able“ bespruehte Felgen.
Woher kommt diese starke Religiositaet? Welcher Einfluss ist der Kultur dabei zuzuschreiben, inwiefern wird eventuell interner Zwang ausgeuebt und welche Bedeutung kommt dem (Social-)Eventcharakter eines Gottesdienstes (wir berichteten) zu? Dies herauszufinden wird sicherlich eine spannende Aufgabe. Erst einmal jedoch bleibt uns das Staunen darueber, das hier den Kirchen scheinbar wirklich „die Bude eingerannt wird“.

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