Archiv für den Autor: Julian Zeyher

Neue Bilder vom Kivu-See

Nach der stressigen Zeit in Ruhengeri waren wir für eine Woche in einem Gästehaus der Presbyterianischen Kirche am Kivu-See. Die Gegend ist atemberaubend schön. Der Kivu-See liegt im Westen zwischen Ruanda und der Demokratischen Republik Kongo, ist ca. fünfmal so groß wie der Bodensee und nahezu kaum touristisiert. Nur wenige Häuser und Hotels sind an der Küste zu finden. Stattdessen ist der See größtenteils von unberührter Naturlandschaft umgeben: Wälder und Felsen fallen steil in den See ab, Palmen, einsame Inseln, oft auch Sandstrand. An Gewässern dieser Größe ist in Europa meist jeder Küstenstreifen bebaut oder zumindest in Privatbesitz.
Ähnlich einladend ist natürlich auch das Preisniveau. Da die Wasserqualität hoch ist und es sowieso ganzjährig angenehm warm ist, kann im Kivu-See jederzeit bedenkenlos gebadet werden. Ein besonders geeigneter Platz also, um einmal eine Woche zu chillen, vorrausgesetzt man befindet sich auf der sicheren, ruandischen Seite. Die prekäre Sicherheitslage im Ostkongo und die damit verbundenen gewaltsamen Konflikte werden nämlich wohl noch lange dafür sorgen, dass diese wunderschöne Gegend touristisch unerschlossen bleibt.

Einige Bilder findet Ihr im neuen Album: „Lake Kivu“…

Verständigungsprobleme

Kurz nach dem Eintreffen der Kuh in Kiruhura ging auch unser Aufenthalt in der kleinen Dorfgemeinde zu Ende. Zunächst verbrachten wir wieder einige Tage in Pascals Familie in Byumba, bis wir zu unserer nächsten Station aufbrachen: Ruhengeri.

Ruhengeri ist die zweitgrößte Stadt Ruandas nach Kigali und befindet sich ebenfalls im Norden des Landes. Ihre geographische Lage ist insofern besonders reizvoll, da die Stadt am Fuße einer großen Vulkan Kette, der acht so genannten Virunga-Vulkane, liegt. Diese acht Vulkane befinden sich im Grenzgebiet zwischen Uganda, Ruanda und der Demokratischen Republik Kongo und sind zwischen 3000 und 4500m hoch. Einige dieser Vulkane gelten heute noch als aktiv. Der auf kongolesischer Seite befindliche Nyiragongo beispielsweise, brach im Jahre 2003 derart heftig aus, dass in der nahe gelegenen Stadt Goma 2000 Menschen ums Leben kamen. Dieser Vulkan spuckt auch heute noch permanent Lava und gilt als einer der aktivsten Vulkane Afrikas.

Das Gebiet um diese Vulkane herum wurde bereits vor mehr als 40 Jahren zum Virunga-Nationalpark erklärt und ist damit Heimat zahlreicher seltener Pflanzen und Tierarten. Besonders bekannt sind darunter die seltenen Berg-Gorillas, deren Bestand durch den engagierten Einsatz der betroffenen Regierungen und zahlreicher Naturschutzorganisationen zumindest auf ruandischer und ugandischer Seite als gesichert gilt. Natürlich haben wir die Gelegenheit auch genutzt den Park zu besuchen. Über dieses einmalige Erlebnis werden wir aber einmal in einem anderen Artikel berichten.

 

In Ruhengeri waren wir im Haus des Dekans der Region Nordruanda untergebracht, was natürlich auch Auswirkungen auf unsere Tätigkeit in dieser Zeit haben sollte. Wir wurden sehr herzlich von der Gemeinde empfangen und Jean-Marie gab sich vom ersten Augenblick an größte Mühe uns einen möglichst angenehmen Aufenthalt zu bieten. Dennoch, schon bei unserer ersten Begegnung mit der Gemeinde, dem Pfingstgottesdienst, machte sich bereits ein mulmiges Gefühl bei uns breit, denn die Rolle, die uns dort plötzlich anhaftete, unterschied sich wesentlich von der Rolle, in der wir uns sahen.

Sämtliche Vertreter aller Gemeinden der Region waren angereist, um die Gäste aus Deutschland zu empfangen, wir wurden gleich zu Beginn um eine kleine Ansprache gebeten und im Anschluss an den Gottesdienst fand uns zu Ehren auch noch ein kleiner Empfang statt. Kurz gesagt, wir wurden behandelt wie die offizielle Delegation einer Kirche, NGO oder Ähnlichem. Obwohl wir natürlich anfangs ziemlich überrumpelt und überfordert mit dieser Situation waren (was aber in letzter Zeit öfter mal der Fall war und wir uns daher schon etwas daran gewöhnt hatten), war das besonders Unangenehme für uns, die ungemein großen Erwartungen an uns, die von Beginn an im Raum standen. Da wir aber gleichzeitig beobachten konnten, wie sehr sich alle um uns herum Mühe gaben und wahrscheinlich keiner auch nur ahnte (auch der Dekan nicht), dass diese Art des Willkommens definitiv nicht unseren Vorstellungen entsprach, wurde uns klar, dass es offensichtlich im Vorfeld versäumt wurde unsere Rolle und unsere Aufgabe während unseres Besuches deutlich klarzustellen.

 

Geduldig ließen wir aber zunächst alles über uns ergehen und spielten das Spiel mit, war es ja beinahe rührend wie sehr sich alle um uns kümmerten und sich bemühten uns einen schönen Empfang zu bereiten. Geradezu fatal wäre es in dieser Situation gewesen die Gemeinde brachial vor den Kopf zu stoßen. Denn verstanden hätte dann unser Verhalten vermutlich keiner.

Nach dem darauf folgenden Tag aber, an dem wir zwei Gemeinden, eine Schule und eine Kooperative für Strickkleidung besichtigt hatten, wurde uns klar, dass es so nicht weitergehen konnte. Wie wir bereits befürchteten wurden wir zunächst überall wieder offiziell Empfangen (Ständchen, Ansprache und detaillierter Lagebericht über die derzeitige Gemeindesituation durch den Pfarrer, Imbiss), anschließend wurden auch unterschiedliche Anliegen an uns herangetragen, wie zum Beispiel der Bau mehrerer Kirchen, Schulen oder Pfarrhäusern, die wir natürlich alle enttäuschen mussten.

Am Abend redeten wir dann mit Jean-Marie Klartext und klärten unseren sichtlich überraschten Gastgeber über unsere Sicht der Dinge auf. Wir erklärten Ihm, dass wir Studenten sind und Ruanda als Privatpersonen, nicht als Vertreter irgendeiner Landeskirche oder Hilfsorganisation besuchen, um Projekte und Gemeinden der presbyterianischen Kirche primär mit unserer Arbeitskraft zu unterstützen. Grund unseres Freiwilligendienstes sei vornehmlich privates Interesse an interkulturellen und interreligiösen Erfahrungen, sowie Erfahrungen im sozialen Bereich und im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit. Weder hätten wir daher ein offizielles Mandat und finanzielle Mittel, noch sehen wir es als primären Teil unserer Aufgabe an, im großen Stil Partnerschaften mit deutschen Gemeinden zu vermitteln oder große Bauprojekte zu verwirklichen. Vor allem aber hatten wir keine Lust am laufenden Band Erwartungen und Hoffnungen vieler Menschen zu enttäuschen.

Glücklicherweise verlief das Gespräch mit Jean Marie konstruktiv und er hatte Verständnis für unsere Lage. Es war einfach nicht rechtzeitig kommuniziert worden und nun war die Kacke am dampfen.

Für grundlegende Änderungen war es aber bereits zu spät, standen doch für die nächsten Tage insgesamt 10 Gemeinden auf dem Programm, denen unser Besuch bereits seit Langem angekündigt war. Da sich Jean-Marie gegenüber uns äußerst verständnisvoll zeigte und wir einerseits natürlich auch verstehen konnten, dass er nun auch nicht einfach einen Rückzieher machen konnte, andererseits wir ja auch gewillt und finanziell in der Lage waren die Gemeinden mit kleineren Projekten zu unterstützen, bemühten wir uns um Schadensbegrenzung für alle Beteiligten. Es musste eine für alle akzeptable Lösung für die Gestaltung der kommenden Gemeindebesuche gefunden werden.

Ein weiteres Problem jedoch war die Zeit. Hatten wir in Kiruhura ausreichend Zeit und Gelegenheit die Gemeindesituation kennen zu lernen, bevor man sich über Art und Weise der Unterstützung Gedanken machte, um schließlich gezielt auf die Gemeindesituation möglichst exakt zugeschnittene Projekte initiieren zu können, war dieses Vorgehen nun nicht möglich. Die Gemeindebesuche deshalb einfach abzusagen und den Gemeinden die Unterstützung, die wir anzubieten hatten zu versagen, kam für uns aber auch nicht in Frage, weil, das darf man bei allem nicht vergessen, die Mehrzahl der Gemeinden wirklich in einer katastrophalen finanziellen und infrastrukturellen Lage war.

Trotzdem mussten und wollten wir auch den adäquaten Einsatz der uns anvertrauten Spendengelder garantieren. Wir beschlossen daher, jeder der 10 Gemeinden Nutztiere für den Beginn einer Tierzucht im Wert von umgerechnet 60 Euro zu spenden. Dies waren je nach Verhandlungsgeschick der Verantwortlichen 2-4 Schweine, Schafe oder Ziegen. Da es für uns nicht in Frage kam jemandem Geld in die Hand zu drücken, unterbreitete von nun an Jean Marie den Verantwortlichen der Gemeinden im Vorfeld unseres Besuches unser Unterstützungsangebot. Je nach dem welche Vorrausetzungen (Ställe, Zucht Know-How etc.)

in der jeweiligen Gemeinde vorhanden war, wurden die Tiere entweder direkt im Dorf oder auf einem Markt in der Nähe zuerst von den Verantwortlichen ausgesucht, anschließend von uns eigenhändig bezahlt und schließlich in die Gemeinde gebracht.

Im Optimalfall brachten wir dann die Schweine, Ziegen oder Schafe dann gleich bei unserem Besuch mit und alle Beteiligten freuten sich. Die klare Vorabinformation für die Gemeinden enthielt neben der deutlich definierten Art und Weise der Unterstützung auch noch eine Klärung unserer Rolle und Funktion, was dazu führte, dass uns unangenehme Anfragen und die Enttäuschung überdimensionaler Erwartungen erspart blieben –, die Gemeinden waren überrascht und unglaublich dankbar über die Tierspende und die Besuche verliefen dementsprechend entspannt.

So konnten wir alles noch einmal zum Guten wenden. Dennoch haben wir aus der Sache einiges gelernt,  müssen wir uns doch fairerweise eingestehen, dass auch wir es versäumt hatten vor unserem Aufenthalt in Ruhengeri unsere Absichten und unsere Rolle während unseres Besuchs deutlich klarzustellen, oder vielmehr uns dabei auf Andere verlassen hatten. Daher war unsere Situation sicher auch selbstverschuldet. So sond  wir dennoch, was die Vertretung eigener Interessen nach Außen anbelangt, wohl ein Stück selbstbewusster geworden.

Sorry für die lange Flaute auf unserem Blog, aber die letzten Tage war bei uns unglaublich viel los… Neue Bilder von unserer letzten Station findet Ihr jetzt schon im neuen Album „Ruhengeri“, Berichte folgen dann nächste Woche!

Die Kuh ist da!

Vor einigen Tagen war es endlich soweit, die Kuh ist wohlbehalten in Kiruhura eingetroffen. Die Gemeinde war überglücklich über die Spende und befand darüber hinaus nach fachmännischer Inspektion von Euter und Hufen das Tier als außergewöhnlich hochwertig. Eines besonders großzügigen Spenders zu Ehren gaben wir ihr daraufhin den Namen „Lutzine“. Kurz vor unserer Abreise hatten wir dann noch die Gelegenheit die eigenhändig gemolkene (!) Milch zu genießen. Insgesamt war es also wirklich eine gelungene Aktion – in ein paar Wochen werden wir nochmals in Kiruhura vorbeischauen und Euch berichten, wie es Lutzine so geht… Natürlich gibt es auch exklusive Bilder im neuen Fotoalbum „Die Kuh ist da!“, wo Ihr selbst schwarz auf weiß sehen könnt, wo genau Euer Geld gelandet ist :

Wir sind echt überwältigt, wie viele Leute bei unserer Spendenaktion mitgemacht haben! Der erforderliche Betrag von 250 Euro wurde, aufgrund der zahlreichen und großzügigen Beteiligung, bei Weitem übertroffen. Bisher sind bereits 1085 Euro bei uns eingegangen! Wahnsinn! Die Kuh konnte damit (einschließlich der Transportkosten) ausschließlich aus Euren Spenden finanziert werden. Mit dem übrigen Geld werden wir nun einige der ebenfalls sehr armen Gemeinden, die wir in den vergangenen Tagen besucht haben, mit Nutztieren (Ziegen, Schweine, Hühner…) unterstützen. Die Tiere bilden damit den Grundstock für eine gemeindeeigene Tierzucht, die (wie im Falle der Kuh) zukünftig regelmäßige Einnahmen garantiert. Wir werden also sämtliche Gelder ganz in eurem Sinne und bis auf  den Cent genau (nach dem jeweiligen Tageskurs eurer Überweisung) hier einsetzen.

Der ausdrückliche Dank der ganzen Gemeinde Kiruhura, des dortigen Pfarrers Emanuel und natürlich auch unserer geht an:

Thorsten Kisser
Judith und Daniel Renz
Barbara Kling
Frieder Wirth
Jonas Schneider
Ulrich Benker
Fabienne Schugg
Antonia Gampert
Adil Naeem
Susi Benker
Familie Arnold
Claudia Stölzle
Stavroula Tekidou
Lisa Benker
Christina Hinderer
Prof. Dr. Volker Drecoll
Günther Benker
Severin Brodersen
Jonathan Dörrfuß
Anna Michl
Mirjam Schmidle
Mario Dalla Torre
Julia Gleich
Simeon Reusch
Teilbibliothek 2 Uni Bamberg
BSG Allgäu
Marlies und Ulrich Gampert
Lutz Gampert
Michael Handl
Johannes Rougk
Christoph Wörner
Nadine Burgenmeister
Benjamin Boysen

und an alle, deren Spende noch unterwegs ist.

Vielen Dank!

Hallo ihr Lieben,
schon einmal vielen Dank für eure zahlreiche Beteiligung an der Kuh. Nächsten Mittwoch, am 15. Juni 2011, endet unsere Kuhspendenaktion. Wenn also noch jemand mitmachen will, kann er die Gelegenheit noch nutzen!
Vielen Dank!

Neue Bilder sind da! Wenn Ihr sehen wollt, wie es uns fernab der Zivilisation ergangen ist, könnt Ihr Euch ab jetzt die neuesten Fotos unter Fotogallerien/Byumba und Fotogallerien/Das Dorf Kiruhura ansehen…

Übrigens für alle Kirchengeschichtler unter den Blogbesuchern…

könnte es interessant sein zu erfahren, dass die Wurzeln der Presbyterianischen Kirche Ruandas nicht etwa nach England oder Amerika reichen, sondern nach Deutschland führen. Wie Ihr vielleicht schon wisst, war Ruanda von 1885 – 1918 Teil der deutschen Kolonie „Deutsch-Ostafrika“. Nach dem Ersten Weltkrieg fiel jedoch Ruanda an Belgien. In der Zeit der Deutschen Kolonialherrschaft wurden auch die ersten christlichen Missionare nach Ruanda entsandt. So gründeten protestantische Missionare der Bethel-Mission unter Friedrich von Bodelschwingh, 1907 die erste protestantische Missionsstation in Kirinda (heutige Westprovinz), die aus einer Kirche, einer Schule und einer Krankenstation bestand. Aus ihr entstand die Presbyterianische Kirche Ruandas, die bis heute die älteste und größte protestantische Kirche in Ruanda ist. Die Missionsstation existiert übrigens, deutlich erweitert, bis heute. Aus der Schule wurde ein großes Internat und aus der Krankenstation ein Krankenhaus.

Schwaben…

Man kennt es. Egal, ob monatelanger Auslandsaufenthalt, dreiwöchiger Sommerurlaub, oder auch nur ein mehrtägiger Kurztrip – die Situation ist immer die gleiche. Man hat für einige Zeit das Ländle verlassen, sei es freiwillig oder unfreiwillig, auf jeden Fall befindet man sich auf unbekanntem Terrain, Neues, Unbekanntes erwartend, gespannt auf fremde Kulturen, Sitten und Gebräuche. Dieser Eindruck herrscht jedoch erfahrungsgemäß nicht allzu lange vor, scheint es doch beinahe eine anthropologische Grundkonstante zu sein, dass es meist nicht lange dauert bis die ersten altbekannten und vertrauten Mitmenschen aus der schwäbischen Heimat auf den Plan treten.
Sei es auf Sizilien, Ostküste – ein abgelegener Campingplatz, weit und breit nur Italiener. Entspannt liegt man in der Sonne, döst ein bisschen – plötzlich hört man es, ganz nahe: „Du, Marga dohanda hots a schees Plätzle…“. Oder ein einfacher Aufkleber auf dem Heck eines Autos mit Waiblinger Kennzeichen auf einem kleinen Parkplatz in einem griechischem Bergdorf mit der Aufschrift: Pro S21. So schnell kann die mediterrane Idylle dahin sein. Auch das einzige deutsche Ehepaar neben einem selbst auf einem einsamen ligurischen Campingplatz muss natürlich direkt neben einem Quartier beziehen und kommt selbstverständlich aus Welzheim. Wie dem auch sei – es scheint fast so, als übten Schwaben im Ausland unterbewusst eine Anziehungskraft aufeinander aus. Entfernungen spielen keine Rolle. Schwabendichte pro Quadratkilometer – ebenso wenig. Versucht man dagegen anzukämpfen und meidet Plätze wo es bekanntlich „bsonders schee isch“, wie beispielsweise einige signifikante Stellen um den Gardasee herum, oder an der Adriaküste, oder man macht am Strand um jeden verdächtigen Dinkelaker-Sonnenschirm einen großen Bogen, hat man meist wenig Erfolg. Schwaben sind überall – Widerstand scheint zwecklos.
So war es auch für mich eigentlich wenig verwunderlich, was sich vor ca. zwei Wochen ereignete. Zuvor muss man anmerken, dass wir seit unserer Ankunft in Ruanda bisher nur einem einzigen Deutschen begegneten (nämlich dem bereits erwähnten Supermarktbesitzer). Die übrigen wenigen Weißen mit denen wir Kontakt hatten, kamen aus Amerika, Kanada und der Schweiz.
Vor zwei Wochen also, konnte ich Pascal begleiten, der als offizieller Vertreter der Presbyterianischen Kirche einen Fußballplatz eröffnen sollte, der von einem Verein einem Internat der Presbyterianischen Kirche gestiftet wurde. Dort angekommen, war meine Verwunderung bereits beim Vorbeifahren an besagtem Sportplatz groß. Stand da doch, inmitten der afrikanischen Wildnis, ein sauber abgemessener Fußballplatz. Rasen grün und akkurat gemäht, ebenso akkurat die weißen Linien gezogen. Große, weiße Tore, grüne, makellose Netze – ich traute meinen Augen kaum. So etwas hier aufzubauen, erfordert sicherlich einiges an Aufwand. Saubere Arbeit.
Während der Veranstaltung hatte ich dann Gelegenheit mit den Verantwortlichen ins Gespräch zu kommen, die mit fünf Mitgliedern aus Deutschland vertreten waren. Und plötzlich war sie da, diese so vertraute Situation: man sieht sich, grüßt sich, kommt ins Gespräch. Kurz: „mr schwätzt halt“. Und dann stellt sich heraus: die Vorsitzende des Vereins und ihr Mann kommen aus Reutlingen, weitere der anwesenden Vereinsmitglieder aus Balingen bzw. Freiburg. Zufall? Vielleicht, dennoch glaube ich mittlerweile, dass sogar auf dem Mars der erste Mensch, der mir begegnen würde, mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Schwabe wäre.

PS.: Der Verein heißt übrigens „Junge Menschen für Afrika e.V.“ und engagiert sich seit vielen Jahren in Ruanda im Bereich Entwicklungshilfe. Ich hatte sowohl von dessen Arbeit, als auch von Kompentenz und Einsatz der Vereinsleitung einen sehr positiven Eindruck. Wen es interessiert, der kann ja mal auf deren Homepage (www.kirinda.de) vorbeischauen. Dort findet Ihr übrigens auch Bilder vom Tag der Sportplatzeinweihung.

Einige neue Bilder aus unserer Woche in Byumba unter Fotogallerien/Byumba…

Das Dorf Kiruhura

Vor einer Woche haben wir unsere nächste Station erreicht: Das Dorf Kiruhura. Es liegt im Norden Ruandas, etwa sieben Kilometer von der Grenze zu Uganda entfernt und hat insgesamt 3500 Einwohner, die sich jedoch weitläufig auf unzählige Hügel verteilen. Auf jedem Hügel stehen fünf bis zehn einfache Hütten aus Lehm, umgeben von kleinen terrassierten Feldern, auf denen Kartoffeln, Bohnen oder Bananen angebaut werden. In den Tälern befinden sich Teeplantagen, auf denen der qualitativ beste Tee Afrikas wächst und auf denen ein Großteil der Bevölkerung dieser Region Arbeit findet. Die Landschaft ist durchzogen von kleinen Bächen und die nicht genutzten Flächen auf den Hügeln sind dicht mit Eukalyptusbäumen bewachsen. Insgesamt ergibt sich damit ein äußerst idyllisches, in den verschiedensten Grüntönen leuchtendes Landschaftsbild. Die Häuser sind durch einfache Trampelpfade miteinander verbunden und auch wir konnten das Dorf nur mithilfe eines

Allrad-Jeeps auf einer schwer befahrbaren, nach Regen nicht passierbaren Straße erreichen. Jede Familie hat durchschnittlich sieben Kinder, aber auch Familien mit zehn Kindern sind keine Seltenheit. Die Familien versorgen sich weitgehend selber: Neben ihren Feldern, hat fast jede Familie einige Nutztiere: Hühner laufen im Hof herum, Ziegen oder Schafe grasen angebunden an Bäumen und die wohlhabenderen Familien können sich auch eine Kuh oder ein Schwein halten. Läden gibt es keine. Die wenigen Dinge, die die Menschen zum Leben brauchen, jedoch nicht selbst herstellen können, wie Kleidung, Seife Kerzen, Streichhölzer und Salz, finden sie auf einem kleinen Markt, der zweimal pro Woche in der nächst größeren Stadt stattfindet und zu dem die Menschen oft mehrere Kilometer zu Fuß die steilen Hügel hinauf und hinab zurücklegen. Das Geld dafür erwirtschaften sie durch den Verkauf ihres Gemüses und Obsts bzw. durch Arbeit auf den Teeplantagen, wo sie für ein gepflücktes Kilo Tee 25 RWF (3 Cent) verdienen können. Ein kräftiger Arbeiter, kann bis zu 100 Kilo pro Tag pflücken und kommt so auf einen Verdienst von 2500 RWF, etwa drei Euro. So leben in dieser Region fast alle von der Landwirtschaft. In Kiruhura gibt es keine Fahrzeuge, außer ein paar Motorrädern, eine kleine Quelle versorgt das Dorf mit Frischwasser, das sich von der Erde gelblich färbt, wenn es viel Regnet, es gibt kein Abwassersystem. Für Abwässer und Fäkalien heben die Menschen Gruben neben ihren Häusern aus.

Auch Strom gibt es keinen. Man lebt hier nach dem natürlichen Tagesablauf. Der Tag beginnt bei Sonnenaufgang, bei Sonnenuntergang endet er. Auf dem Dach des Pfarrhauses befindet sich die einzige Stromquelle des Dorfes. Eine Solarzelle. An sonnigen Tagen können die Leute hier für 12 Cent ihr Handy aufladen. Läuft man die Hügel ein Stück hinauf, so hat man Empfang mit dem Handy – Glück für uns, denn so können wir auch über unseren Laptop ins Internet gehen. Auch wenn es uns immer äußerst surreal vorkommt, erst auf einen Hügel durch die absolute Wildnis zu laufen, um dann oben bei herrlichem Panorama und zwitschernden vögeln den Laptop aufzuschlagen…

Hier sind wir nun also noch für die nächsten zwei Wochen. Untergebracht sind wir im Haus des Pfarrers Emanuel (32), der sich Dort gemeinsam mit seiner Frau Jane (30) um die Gemeinde kümmert. Wir wohnen in einem kleinen „Gästezimmer“ in dem ein großes Bett steht und das sich in einem Pfarrhaus angegliedertem Gebäude befindet. Links von uns ist der Geräte- und Vorratsschuppen, noch ein Zimmer weiter ist der Hühnerstall. Rechts gegenüber steht die Küche, in der dreimal am Tag über dem Feuer das Essen zubereitet wird, was eigentlich auch den ganzen Tag in Anspruch nimmt. Daneben folgt dann der Verschlag, in dem die Kuh untergebracht ist (Bilder folgen).

Hier haben wir jetzt die einmalige Gelegenheit für die kommenden Wochen in die Lebenswelt eines afrikanischen Dorfes einzutauchen. Geweckt vom Hahnenschrei, begleitet vom Muhen der Kühe und dem Geruch von Feuer, ins Bett geschickt von der unglaublichen dunklen Dunkelheit. Wer sich jedoch bei der Beschreibung an idyllischen Ferien auf einem oberbayrischen Bauernhof erinnert fühlt, dessen Vorstellung führt in eine falsche Richtung. Bei allem Lobpreis auf die ländliche Idylle, muss man dennoch fairerweise festhalten, dass das Leben hier für einen Europäer doch mit einigen Entbehrungen verknüpft ist. Obwohl wir uns mittlerweile schon an das Waschen von Hand gewöhnt haben, hatten wir jedoch immer den Luxus einer warmen Dusche und Strom. Zumindest in regelmäßigen Abständen. Das ist nun anders. Entgegen etwaigen Vermutungen, dass es in Afrika durchgehen 40 Grad hätte und daher eine kalte Dusche äußerst angenehm wäre, muss man sagen, dass dies hier in diesem ruandischen Bergdorf auf fast 2000 Metern Höhe nicht gilt. Gerade nachts kann es empfindlich kalt werden und auch tagsüber klettern die Temperaturen wegen der Regenzeit nicht über 25 Grad.

Trotzdem sind wir überaus froh hier zu sein und auch diese Seite Afrikas kennen zu lernen. Der Pfarrer und seine Frau nehmen uns sehr herzlich auf und auch die Verständigung klappt auf Englisch ganz gut. Das Essen ist sehr lecker und natürlich, aufgrund des fast vollständigen Verzichts auf den Einsatz von Maschinen oder Kunstdüngern, beste Bioqualität. Vor kurzem wurde extra für uns eines der fünf Hühner des Pfarrers geschlachtet. Ein blutrünstiges Szenario. Gerade einmal eine Stunde verging bis sich das gackernde Huhn im Kochtopf über dem Feuer befand. Traditionell wurde mithilfe einer Machete der Kopf abgetrennt, das noch warme Huhn anschließend gerupft und an Ort und Stelle ausgenommen. Hygiene ist dabei hier natürlich nur eingeschränkt möglich um es milde auszudrücken. Nicht nur beim Schlachten. Die Kuh trinkt aus demselben Topf wie der Reis gekocht wird, Fliegen kreisen über dem Essen. Ab und zu findet man kleine Steine im Essen. Dennoch hatten wir noch nie Probleme mit dem Essen –  wenn man alles bei 100 Grad kocht, ist es doch steriler als man denkt.

Abschließend sei nun noch auf unsere Rolle als Weiße hier eingegangen werden. Wie wahrscheinlich bisher zur genüge deutlich wurde, handelt es sich bei Kiruhura um einen Ort, an den sich eher selten ein Fremder verirrt und die Wahrscheinlichkeit, dass es sich dabei dann auch noch um einen Weißen handelt, tendiert gegen Null. Zu abgelegen, beinahe abgeschnitten von der Zivilisation liegt das Dorf. Daher ist es nicht verwunderlich, dass die plötzliche  Präsenz zweier Europäer im Dorf ein weltbewegendes Großereignis darstellt. Schon auf der Fahrt dorthin blieben die Kinder und Erwachsenen mit offenen Mündern stehen, weil plötzlich zwei Weiße in dem ohnehin schon seltenen Auto saßen. Kinder folgten uns scharenweise und wollten uns anfassen. Besonders unsere Haare faszinieren, da sie sich von den fast drahtartigen Haaren der Afrikaner sehr unterscheiden. Für viele ist es hier sicherlich das erste Mal, dass sie einem Weißen begegnen. Oft kommen wir uns vor wie Tiere im Zoo. Kinder warten stundenlang vor dem Haus, um uns zu sehen uns kreischen wenn wir winken oder etwas sagen. Es ist echt abgefahren. Besonders Kinder zwischen zwei und vier Jahren sind oft derartig verstört von unserem Anblick, dass sie anfangen zu weinen und vor uns weglaufen. Die allermeisten Reaktionen sind jedoch unglaublich positiv. Kinder rennen von weit her auf uns zu, begrüßen uns freudig und umarmen uns. Beim Besuch der Grundschule waren wir vom plötzlichen Ansturm von fast 1000 Kindern, die uns lärmend „Umuzungu“ rufend entgegen kamen so überwältigt, dass wir Mühe hatten die Tränen zurückzuhalten. Auch unter den Erwachsenen genießen wir großen Respekt. Schüttelt man Hände oder grüßet mit Winken die arbeitenden Frauen und Männern auf den Feldern, so ist die Freude groß. Woher nun diese unglaublich positive Image, der Sympathievorschuss kommt – dem nachzugehen ist sicherlich eine interessante Frage. Vorerst jedoch genießen wir es hier in dieser wunderschönen Natur in Gesellschaft vieler wohlwollender Menschen zu sein.