Unsere Zeit im Projekt CPAJ – ein Abschlussbericht

Vergangene Woche haben wir uns vom Projekt CPAJ verabschiedet. Das Zentrum war, während der letzten Wochen der Ort für uns, an dem wir wohl (neben unserem Wohnort) die meiste Zeit verbrachten. So prägten die Erfahrungen und Begegnungen dort maßgeblich unseren „ersten Eindruck“ von der Kultur und Bevölkerung Ruandas, sowie auch von Arbeit im Bereich der so genannten „Entwicklungshilfe“.

Wir hatten großes Glück in dieser Einrichtung gelandet zu sein. Das überaus freundliche Team nahm uns, trotz Sprachbarriere, herzlich auf und ermöglichte damit eine harmonische Interaktion zwischen uns und den Kindern. Ohne Unterstützung beim Übersetzen oder Hilfe bei der Beschaffung von (Bastel-) Material, wären unsere Möglichkeiten deutlich eingeschränkter gewesen. Wenn wir mit den Kindern gespielt oder gebastelt haben, halfen die Mitarbeiter oft begeistert mit und freuten sich über die neuen Ideen. Dabei haben wir oft nur ganz einfache Spiele gespielt. Ein paar Kreise mit Kreide auf den Boden gemalt, in die die Kinder dann mit kleinen Steinchen hineinzielen mussten – je größer die Distanz, desto mehr Punkte. Oder mit 9 Wasserflaschen und einem Basketball kegeln. Wenig Aufwand – ein Vormittag Spass. Trotz aller kulturellen Verschiedenheiten stellten wir jedoch fest, dass ruandische Kinder auch nicht groß anders spielen als deutsche Kinder. Ständig muss man hinterher sein, dass die Regeln eingehalten werden und wenn man selbst nicht mitspielt ist es schwer die Kinder zu motivieren. Zudem vermuten wir, dass es den Betreuern hier nicht an der Zeit oder (wie in Deutschland oft) an der Autorität der Betreuer fehlt, sondern an den Ideen bzw. dem Zugang dazu. Mit dem Material, das wir in CPAJ gelassen haben und den einfachen Spielen, an denen die Kinder so viel Freude hatten (z.B. auch Völkerball) hoffen wir, dass die Kinder sich auch in Zukunft die Zeit vertreiben können.

Ein besonderer Höhepunkt war der Bau einer (nun in Ruanda wohl einzigartigen) Torwand. Dies  stellte vor allem für uns eine große Herausforderung dar, da man hier nicht mal „kurz zum Hornbach“ fahren kann, um dort eine exakt zugesägte 240 x 180 cm Sperrholzplatte (vorzugsweise Fichte, Rotbuche oder Kiefer, wie der Bauanleitung auf einer deutschen Heimwerkerhomepage zu entnehmen war) zu kaufen. Dasselbe Problem stellte sich uns bei der Beschaffung von Schrauben (DIN 8745) und Werkzeug. Stattdessen wurden nach ein paar Tagen Verzögerung ein paar Baumstämme angeliefert und einige sehr dünne Holzlatten aus denen wir dann eine Platte zusammenzimmerten. Nach unserem anfänglichen Staunen dürften wir anschließend die Erfahrung machen, dass man auch aus Rundholz mit einem Hobel, viel Zeit und Muskelkraft ganz ordentliches Kantholz bekommt.

Alles in allem war es sicherlich eine große Bereicherung, unter anderem auch für unsere handwerklichen Fähigkeiten, die bisher auch noch nicht übermäßig ausgeprägt waren. Kann es doch auch eine heilsame Erfahrung sein, dass man auch ohne Akkuschrauber, Baumarkt und Stichsäge ein funktionstüchtiges und passables Ergebnis erzielen kann. Schließlich bemalten wir unser Werk noch gemeinsam mit den Kindern und weihten anschließend das gute Stück ein. Auch wenn es bisher noch kein Wort für „Torwand“ auf Kinjarwanda gibt, haben die Kinder großen Spass damit und man kann die Operation damit durchaus als erfolgreich bezeichnen. Unter „CPAJ Teil 2“ könnt Ihr das Werk bestaunen. An dieser Stelle sei noch einmal ausdrücklich den Studierenden des Evangelischen Stifts in Tübingen gedankt, die mit ihren Spenden die Kosten für das Material getragen haben.

Unser abschließender Eindruck von CPAJ

Obwohl zwei Monate nicht allzu viel Zeit ist, war es für uns dennoch ausreichend, um zumindest einen Einblick in die Strukturen des Projekts zu bekommen. So kamen wir zu dem Urteil, dass das Projekt eigentlich in einem ganz guten Zustand ist. Sowohl personell als auch finanziell scheint die Einrichtung in der Lage ihren Kernaufgaben nachkommen zu können. Als Kernaufgaben können einerseits die Grundversorgung der Schule mit ausreichend Lehrpersonal (Schnitt 1:50) und materieller Ausstattung, sowie andererseits die Grundversorgung der Kinder aus dem Heim mit Essen, Kleidung, Schlafplatz, Schulgeld und Betreuungspersonal bezeichnet werden. Ausschlaggebend für diese Beurteilung war der Eindruck, dass die Kinder und Schüler zufrieden mit ihrem Leben dort zu sein scheinen. Die Interaktion zwischen den Kindern und dem Betreuungspersonal war von gegenseitigem Respekt und auch oftmals großer Zuneigung geprägt. Für den Gebrauch von körperlicher Gewalt als Erziehungsmaßnahme gab es keinerlei Anzeichen. Zudem spricht auch die Tatsache, dass nahezu alle Kinder freiwillig dort wohnen dafür, dass die Lebensbedingungen dort gut sind. Auch die Betreuer scheinen zufrieden mit ihren Arbeitsbedingungen und wirkten ausgesprochen harmonisch und teamfähig in ihrer Zusammenarbeit. Keinesfalls wirkten sie überfordert. Schließlich machte auch die Projektleitung einen äußerst kompetenten und vor allem auch einem am Schicksal der Kinder interessierten Eindruck auf uns.

So erfreulich dieser Eindruck einerseits ist, so muss man dennoch in aller Deutlichkeit festhalten, dass sich die Versorgung der Kinder dort am absoluten Minimum orientiert. Würde man europäischen Standart ansetzen, so würde man wohl schnell mit Vokabeln, wie „dramatisch unterversorgt“ um sich werfen. Die Qualität der Lehre ist nicht besonders hoch und von den wenigen Lehrern auch zeitlich kaum zu leisten. Es stehen vor allem praktische Fähigkeiten im Vordergrund des Erlernens. An Mathematik, Geographie oder Fremdsprachenkenntnisse ist nicht zu denken. Oft drückten uns die Kinder ihre Dankbarkeit darüber aus, dass wir ihnen etwas von unseren (auch nicht gerade übermäßigen) Englischkenntnissen zu vermitteln versuchten. Auch die Ausstattung lässt zu wünschen übrig. Auf kleine, unbequeme Holzbänke (ca. 1,50m) zwängen sich oft 3 oder 4 Schüler. Die Klassenräume haben nur eine Tafel – keine Schulbücher, keine Kopiermöglichkeit, oft auch keine richtigen Hefte und Schreibwaren.

Im Kinderheim ist die Situation ähnlich. Die Mahlzeiten orientieren sich ausschließlich am Nährwert und am Preis. Daher gibt es jeden Tag zweimal das billigste und nahrhafteste Nahrungsmittel, das in Ruanda aufzutreiben ist: eine Art Maisbrei mit Bohnen. Kein Obst, kein Gemüse, keine Süßigkeiten, kein Fleisch. Auf all dies zu verzichten, scheint Unsereinem nahezu unmöglich. Die Kinder essen mit den Händen aus ziemlich ramponierten Blechtellern, die sie selbst abspülen und dann an die nächsten Kinder weitergeben, da nicht genug Teller da sind, dass alle gleichzeitig essen können. Auch was die Kleidung angeht ist nur das Nötigste vorhanden: Jedes Kind hat neben der Schuluniform höchstens zwei T-Shirts, die Schuhe sind oft löchrig, nicht alle Kinder haben Unterwäsche. Allgemein ist die Kleidung in eher miserablem Zustand. Als wir jedem der Kinder ein weißes T-Shirt zum Bedrucken schenkten, war das wohl das erste Kleidungsstück das sie je besessen hatten, das nicht Second Hand war.

Umso mehr freuten sich die Kinder über die Kleidungsspenden (finanziert ebenfalls von den Spenden der Stiftler) in Form von den T-Shirts und Sandalen.

Die Kinder waschen ihre Kleidung selbstverständlich selbst von Hand. Auch sonst sind die Kinder für ihr Alter ausgesprochen selbstständig. Viele legen mehrere Kilometer Schulweg alleine zu Fuß zurück, was bei dem hiesigen Verkehr nicht ungefährlich ist. Der einzige private Raum, den die Kinder als Rückzugsort haben, stellt ihre Matratze in einem der zwei Schlafräume dar, den sie sich mit 20 anderen teilen, die ebenfalls dort in Stockbetten schlafen (siehe Fotos „CPAJ Teil 2“). Die Sanitäranlagen sind einfache Plumpsklos.

An den primitiven Lebensbedingungen der Kinder dort wurde uns bewusst, wie privilegiert wir in Deutschland aufwachsen durften. Hier haben die Kinder eine Rasierklinge mit der sich alle die Nägel schneiden. Persönliches Spielzeug gibt es nicht. Man könnte diese Liste noch endlos weiterführen. Wichtig ist jedoch: Die Kinder dort sind glücklich. Sie lachen und weinen wie alle Kinder und nehmen ihre Lebensumstände nicht als Beeinträchtigung wahr. In der Zeit, die wir dort verbrachten wurde uns klar, dass neben die humanitäre Grundversorgung die Vermittlung einer positiven Einstellung zum eigenen Leben so wie es ist, als wesentliches Ziel einer solchen Einrichtung im Vordergrund stehen sollte. Dieses Ziel wird, unserer Einschätzung nach, erreicht. Und zwar mit Erfolg. Wenn es möglich ist, dass Kinder, die von der Straße in dieses Projekt kommen und das Zentrum einige Jahre später als weltzugewandte und gebildete Persönlichkeiten verlassen, so kann man vor dem Einsatz der Betreuer und Verantwortlichen, sowie dem Selbstvertrauen der Kinder nur den Hut ziehen. Dass dies nicht in jedem Fall immer gleich erfolgreich ist, ist klar. Trotzdem kann es uns zu denken geben, dass hier die Kinder unter diesen schweren Bedingungen genauso erwachsen und reif werden – und das ohne Playstation und Gameboy.